Jonglieren mit Gegensätzen
Bauen im urbanen Kontext ist mehr und mehr geprägt von Zielkonflikten, innerhalb derer der entwerferische Spielraum für unser Wohn- und Lebensumfeld scheinbar sukzessive schwindet. Der Lärmschutz kollidiert mit den Anforderungen zur Verdichtung nach Innen; innovative Energiekonzepte bedingen Kosten, die auf die gemeindepolitisch legitimierte Forderung nach mehr bezahlbarem Wohnraum prallen. Wie kann man sich in diesem Dilemma noch virtuos bewegen? Das entwerferische Spiel mit inhaltlichen Gegensätzen, die räumlich übersetzt und im Ausdruck überhöht werden, bildet die Grundlage für eine Flucht nach Vorne.
Vieldeutigkeit und Präzision
Einfache aber präzise gesetzte und architektonisch artikulierte Bauten bilden ein lose gefügtes Ensemble. Im Dialog mit der Umgebung entsteht eine Komplexität der Massstäbe und Stimmungen als Voraussetzung für das Einnisten von Urbanität.
Die Kreuzung Wehntaler-/Hofwiesenstrasse ist als wichtiger städtischer Knotenpunkt räumlich schwer lesbar und bietet wenig Aufenthaltsqualität. Der Entwurf muss sich daher in das bestehende Stadtgefüge einordnen und gleichzeitig einen neuen Ort, oder besser eine Sequenz von Orten etablieren. Während die Wehntalerstrasse schon im 19. Jahrhundert eine der Haupteinfallachsen in die Innenstadt von Zürich war, hat sich die Gewichtung durch die Entwicklungsgebiete Zürich West und Oerlikon mehr und mehr zu einem gleichberechtigen Verkehrskreuz gewandelt, was sich in der hohen Lärmbelastung und der Morphologie des Ortes ausdrückt. Übergeordnete Bauten wie das Radiostudio oder die Schule Allenmoos, aber auch viele durchgrünte Wohnsiedlungen stehen orthogonal zur Wehntalerstrasse, auch wenn die Grundstücke nicht direkt an sie angrenzen. Strassenbegleitende Gebäude entlang der Hofwiesenstrasse weisen dagegen den Weg nach Oerlikon. Die Überbauungen Guggach 1 und 2 bringen einen neuen Massstab ins Quartier und besetzen als Inseln mit Binnenräumen die Baufelder am Waldrand.
Der Entwurf reagiert auf die disperse Situation mit einer präzisen Setzung einfacher Körper. Vier Bauten nehmen die Richtung der Wehntalerstrasse auf und schaffen an der Hofwiesenstrasse Raum. Sie fügen sich zu einem heterogenen Ensemble mit orthogonaler Ordnung. Die Komposition begrenzt den neuen Quartierpark und vernetzt ihn zugleich mit den bestehenden Freiräumen. Das Freiraumband aus Friedhof, Gemeinschaftsgärten, Park und GZ wird auf diese Weise als öffentliche Erholungszone gestärkt. Während das Schulhaus ganz selbstverständlich die Wehntalerstrasse begleitet, drehen sich die Wohnbauten je nach Perspektive in die Hofwiesenstrasse hinein oder aus ihr heraus. Die resultierende Aufweitung gegenüber der Tramhaltestelle wird zu einem kleinen Quartierplatz.
Das Ensemble wird in seiner Grundordnung bestechend einfach gebildet, erreicht im Dialog mit der Umgebung und im architektonischen Ausdruck jedoch eine hohe Komplexität. Von der Hofwiesenstrasse betrachtet treten die Wohnbauten mit grosser Präsenz als ungleiches Gebäudepaar auf, das durch den Bruch in der Strassenflucht den Übergang von Unterstrass nach Oerlikon markiert. Parkseitig fügen sich die strukturellen Fassaden der zwei Scheiben wiederum zu einer Raumkante. An den Stirnseiten greifen die muralen und die feingliedrigen Elemente der Fassade ineinander, ragen turmartig empor und kontrastieren damit den Gewerbesockel im Erdgeschoss.
Durch die klare Raumbildung und die heterogene Erscheinung entsteht eine Sequenz von charaktervollen Stadträumen, die durch wiederkehrende architektonische Elemente wie die eingefärbten überdimensionierten Beton-Säulen ausgezeichnet und mit einer programmatische Dichte kohärent bespielt werden.